
Digitalisierung und Fundraising anhand einer Casestudy für eine neue Fuchsanlage
im Natur- und Tierpark Goldau
Wir leben in einer Zeit, in der sich die Welt um uns herum und mit uns immer schneller zu drehen scheint. Der permanente Wandel ist dabei die einzige verlässliche Konstante, auf deren Fundament wir im 21. Jahrhundert agieren können. Bereits seit 1997 skizziert der renommierte Managementexperte Prof. Dr. Fredmund Malik das Bild der sogenannten Grossen Transformation21. Damit ist der derzeit stattfindende und historisch wahrscheinlich grösste gesellschaftliche Umwandlungsprozess gemeint, der in eine neue – unteranderem digitalisierte – Welt führt, deren Facettenreichtum uns bisher gänzlich unbekannt ist. Ob wir es persönlich begrüssen oder ablehnen, die Verschmelzung der realen –offline– Welt mit der digitalen –online– Welt ist in vollem Gange und legt einen feinen digitalen Layer über die Art und Weise, wie wir wahrnehmen, denken und handeln. Alles was sich digitalisieren oder gar auf eine Plattform übertragen lässt, wird in Zukunft die Wandlung vom Analogen zum Digitalen durchmachen. Umarmen wir also die Zukunft mit ihren digitalen Herausforderungen offen und freudig und schauen, was sie für positive Aspekte in unserem unternehmerischen Alltag entfalten könnte – beispielsweise im Hinblick auf die Gewinnung von Spendern und Unterstützern für Hilfswerke, gemeinnützige Vereine und NPOs über den digitalen Kanal:
DIE HERAUSFORDERUNG
Die Schweiz zählt regelmässig zu den spendabelsten Nationen weltweit, wenn es um Geldzuwendungen für soziale, caritative oder kulturelle Hilfsprojekte jeglicher Art geht. So erhielten laut ZEWO-Statistik im Jahre 2016 Hilfswerke 1.8 Milliarden Schweizer Franken. Davon wurden 97% offline gespendet und lediglich 3% online, wie die Digitale Fundraising Studie 2016 konstatierte.
Angesichts der Tatsache, dass die digitale Infrastruktur und Nutzung in der Schweiz im europäischen Vergleich vorbildlich und exzellent ist, verwundert diese extrem schwache Nutzung des digitalen Kanals für das Fundraising. Einer unserer langjährigen Schweizer Grosskunden aus dem Bereich Telekommunikation und ICT kam daher mit der Idee auf uns zu, mit Hilfe einer digitalen Spendenplattform für Hilfswerke in der Schweiz der Frage nachzugehen, ob digitales Fundraising ein erfolgversprechender –ergänzender– Weg für Hilfswerke in der digitalen Zukunft sein könnte.
Daraufhin wurden zahlreiche ZEWO-zertifizierte Hilfsorganisationen eingeladen, an diesem Testprojekt teilzunehmen, von denen schlussendlich der Natur- und Tierpark Goldau, SolidarMed und Miva für den «Proof oft the Pudding» nach einem ersten Kennenlernen ausgewählt wurden.
DIE HERANGEHENSWEISE
Im Natur- und Tierpark Goldau teilten sich bisher die Füchse und Dachse eine Anlage und auch Bau. Dies kommt zwar durchaus auch in der Natur vor, ist aber für beide Tierarten keine wirklich vorteilhafte und wünschenswerte Situation. Die einzige Möglichkeit der Auflösung dieser «tierischen Wohngemeinschaft», bestand im Bau einer neuen Fuchsanlage. Für die «Inneneinrichtung» dieser neuen Anlage sollten finanzielle Mittel in Höhe von 20.000 Schweizer Franken eingeworben werden.
Wir stellten uns in mehreren Gesprächen und Workshops mit der Crew des Tierparks Goldau –insbesondere Frau Anna Baumann, Frau Condi Scherrer und Frau Rahel Keller– als auch dem Verantwortlichen der Testplattform letshelp.ch –Herrn Gregor Widmer – die Frage, welche Zutaten in technischer als auch inhaltlicher Hinsicht (Stichwort: Content is King) für ein erfolgreiches digitales Fundraising Projekt notwendig sind.
Technische Kampagnenhebel
In technischer Hinsicht haben wir daraufhin die digitale Spendenplattform dahingehend umgestaltet, dass neben klassischen Spenden auch ein wirkliches Crowddonating möglich ist, um zahlreiche verhaltens- und wahrnehmungspsychologische Mechanismen nutzen zu können. Im Einzelnen bedeutet dies: 1. es gilt das All-or-Nothing-Prinzip, d.h. nur bei Erreichung von 100% der Zielsumme von 20.000 CHF innerhalb eines festgelegten Zeitraumes werden die Geldzuwendungen eingezogen und das Projekt zweckgebunden unterstützt; 2. für die Donatoren gibt es projektbezogenen Belohnungen, die von der jeweiligen Geldsumme abhängig sind; 3. der Verlauf des Projektes als auch die Mittelverwendung sind jederzeit transparent und das eigenen Engagement lässt sich über digitale –insbesondere Social Media– Kanäle einfach sharen und liken; 4. das Erscheinungsbild der digitalen Plattform ist weitestgehend reduziert, damit das einzelnen Projekt genügend Raum für die notwendige Wahrnehmbarkeit und einfache Orientierung seitens der Donatoren bekommt und 5. der Prozentsatz der erreichten Zielsumme sowie die verbleibende Zeit wird grafisch und textlich prominent kommuniziert, um das Thema Verknappung deutlich zu spielen.
Inhaltliche Kampagnenhebel
In inhaltlicher Hinsicht haben wir einen projekt- und themenspezifischen Kampagnenbotschafter entwickelt, der in Gestalt des illustrierten Sammelfuches Lucky – erschaffen von Frau Nenia Tiemeier – von der Vision zur Wirklichkeit wurde. Er tummelte sich sowohl im digitalen Raum auf der Website des Tierparks Goldau sowie beispielsweise der Social Media Präsenz Facebook, aber auch im analogen Raum in Gestalt einer hölzernen Fotowand mit entsprechendem Call-2-Action, Ansteckbuttons im Kassenbereich oder Malvorlage für kleine Tierparkbesucher im Restaurant Grüne Gans. Die Crowddonating Kampagne firmierte medienübergreifend unter dem Namen «Hesch mer en Stutz?» Zusätzlich wurde über die Orchestrierung der verschiedenen digitalen und analogen Räume immer wieder kleine Impulse zum Mitmachen und Empfehlen seitens der Crew des Tierparkes gesetzt, beispielsweise in Form von Wunschwettbewerben auf Facebook «Wie wollt Ihr Lucky als nächstes sehen?» (z.B. als Bergsteiger etc.). Die präferierte Aktivität wurde dann von der Agentur Nordjungs illustriert, animiert und zur Verfügung gestellt.
DAS ERGEBNIS
Eines sei vorangestellt, die digitale Testplattform hat bewiesene, dass digitales Crowddonating sehr erfolgreich sein kann und wird seit dem als Software as a Service angeboten – die Plattformseite letshelp.ch selbst ist allerdings nicht mehr aktiv geschaltet. Zudem sind alle drei «Proof oft the Pudding» Projekte erfolgreich gelaufen und konnten die gewünschte Zielsumme (jeweils 20.000 CHF) erreichen.
Facts & Figures des Tierpark Goldau Cases
Die digitale Crowddonating Kampagne für die neue Fuchsanlage des Tierparks Goldau lief vom 12. August 2017 bis zum 05. November 2017. Als Sammelziel wurden 20.000 CHF ausgerufen, um die Inneneinrichtung der neuen Anlage zu finanzieren. Insgesamt haben 251 Personen die Kampagne online unterstützt und 24.677,- CHF zur Verfügung gestellt – das sind 123% der Zielsumme. Zusammen mit weiteren kleineren Aktionen auf dem Gelände des Tierparks (Spendentrichter und Spendenbuttons) wurden insgesamt 28.631,85 CHF an Geldmitteln eingeworben.
Darüberhinaus bot die «Hesch mer en Stutz?» Kampagne die Gelegenheit zur Generierung von interessantem und relevantem Content, der regelmässig und variationsreich in den digitalen Kanälen gespielt werden konnte und von der Tierpark Crew auch vorbildlich dahingehend genutzt wurde. Als Nebeneffekt trat auch eine Media-Verzinsung dahingehend ein, dass die Kampagne des Tierparks in drei Print-Artikeln und vier Online-Artikeln aufgegriffen wurde. Nebst einer Steigerung des Traffics auf den relevanten Tierparkseiten (Owned Media) konnten zudem 174 vollständige und freigegebene Datensätze von Spendern generiert werde, die für zukünftige Aktionen ihren Wert für den Tierpark Goldau entfalten könnten.
Würde man den Wert der Agenturleistungen als auch der Arbeit der übrigen Akteure ausserhalb des Tierparkes Goldau zu Marktpreisen zu Grunde legen – diese Kampagne war agenturseitig eine pro bono Kampagne –, dann hätten ungefähr 60.000,- CHF investiert werden müssen. Dies zeigt, dass man digitale Crowdfunding Kampagnen nicht zu eindimensional denken und konzipieren darf. Der Mehrwert dieser Aktion ist unter verschiedenen Gesichtspunkten allerdings mehr als beachtlich. Zum einen wurde die Zielsumme von 20.000,-CHF bereits nach 6 ½ Tagen nach Kampagnenstart erreicht. Durch Medienberichterstattung wurde kostenlose Imagewerbung für den Tierpark Goldau betrieben und eine zusätzliches Contentangebot zur Weiterverwertung in den Social Media generiert. Unter Heranziehung eines «Spender-Lifetime-Value» würde die Investition zur Gewinnung qualifizierter Spender mit 345 CHF pro neu gewonnen Spender ein mehr als lohnendes Investment darstellen. Wie immer im Leben lautet die Antwort auf die Ausgangsfrage, ob digitales Fundraising eine lohnende zusätzliche Einnahmequelle für Hilfsorganisationen, Zoos, Tierparks etc.sein kann: Es kommt darauf an.
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